Was sagen die Totenbücher?

Im Gegensatz zu religiösen und heiligen Schriften der Welt beschäftigen sich Totenbücher ausschliesslich mit den Belangen des Jenseits. Dabei sind die berühmtesten Totenbücher das Ägyptische Totenbuch und das Tibetanische Totenbuch. Es gibt aber auch weitere unbekannte Beschreibungen und Anleitungen zum Jenseits. Sie enthalten Anweisungen, Beschreibungen und Zaubersprüche, um dem Verstorbenen auf die zahlreichen Aufgaben und Prüfungen in der Unterwelt vorzubereiten.

Die Beschreibungen der Totenbücher offenbaren ein detailiertes Bild über die Glaubensvorstellungen der antiken Völker. Diese sind teilweise über 5000 Jahre alt und weitaus älter als z.B. das Alte Testament der Bibel. Gehen wir davon aus, dass jede religiöse und spirituelle Gruppe im Diesseits durch ihre Vorstellungskraft die Erscheinung der jeweiligen jenseitigen Welt mit Energie nährt und ihr dadurch eine reale Präsenz verleiht, können wir viel über die Beschaffenheit des Jenseits lernen. Das gilt auch dann, wenn sich unsere eigene Vorstellung von den alten Kulturen sehr unterscheidet.

Der Prozess des Schreibens von Totenbüchern ist natürlich noch nicht abgeschlossen. In modernen Auslegungen wird z.B. gerade wild diskutiert, ob der Lichttunnel, von denen viele Nahtoderfahrungen berichten, nicht eine Art Lichtfalle ist, die uns im Kreislauf der Wiedergeburten gefangen hält und die Seele bei ihrem Wunsch, neue Lernerfahrungen in den jeweiligen Leben zu machen, unnötig in unvorteilhafte Inkarnationen lockt. Allerdings ist dies ein anderes Thema, zurück zu den Aussagen der berühmtesten Totenbücher.

Interessanterweise gibt es in allen Religionen und Jenseitsvorstellungen eine gemeinsame Schnittmenge: Nach dem Tod sind die Menschen nicht allein sondern reisen durch verschiedene Bereiche des Jenseits. Sie werden von Göttern und Himmelswesen vor Prüfungen oder einem Gericht gestellt. Je besser man diese Prüfungen meistert und sich verteidigt, desto besser wird das Leben nach dem Tod ausfallen. Im Gegensatz zur christliche-jüdischen Vorstellung wird nicht nur das Verhalten zu Lebzeiten bewertet sondern die Antworten und das Verhalten zum Zeitpunkt der Prüfungen im Jenseits.

Ägyptisches Totenbuch

Das ägyptische Totenbuch bereitet den Verstorbenen auf die Reise durch das Reich Amenthes vor. Obwohl man bereits verstorben ist, muss man sich das ewige Leben erst noch verdienen. Man erfährt die Namen und die jeweiligen Prüfungen der verschiedenen Götter. Dabei wird man auch auf mögliches Fehlverhalten zu Lebzeiten geprüft und befragt, allerdings kann man sich durch die richtigen Beschwörungs- und Zaubersprüche oder durch Opfergaben einer Bestrafung entgehen, also auch durch ein richtiges Verhalten gegenüber den göttlichen Richtern. Z.B. wird man vor ein Tribunal mit 42 Totenrichtern gestellt und muss (selbst wenn es nicht ganz der Wahrheit entspricht) energisch seine Unschuld beteuern.


Zwischendurch gelangt der Tote durch Bereiche mit dämonischen Fallen. Es gibt im Jenseits Wasser und Lebensmittel sowie Opfergaben, die man dort finden und später einsetzen kann. Es handelt sich um eine komplexe Landschaft mit vielen Pforten und Abgrenzungen der verschiedenen Bereiche. Mit Hilfe des Totenbuchs lernt man eine Karte dieser Orte kennen und kann sich dort leichter zurechtfinden.

Hat man sämtliche Prüfungen gemeistert, kann man im Jenseits dann ein erfülltes Leben führen. Man erlangt evtl. Unsterblichkeit und die Fähigkeit, verschiedene Gestalten anzunehmen. Oberstes Ziel ist es, die Ebene das Gottes Tum Ra zu erreichen, der die meisten Freiheiten und Vorzüge bietet. Hier erlangt man ggfs. sogar die Fähigkeit, das Jenseits zwischenzeitlich wieder zu verlassen und in die Welt der Lebenden wieder zurückzukehren. Versagt man bei den Prüfungen so gelangt man unwillkürlich in eine Art Hölle oder Feuersee, der zu einem unschönen Leben im Jenseits führt und wo die Unsterblichkeit mitunter auch endet.

Tibetanisches Totenbuch (Bardo Thödröl)

Das Tibetanische Totenbuch ist wesentlich jünger und stammt aus dem 8. Jahrhundert. Im Vordergrund steht hier die Reise in die Reinkarnation in eine der 6 Gratis (Lokas), also in die Welt der Menschen, Tiere oder Götter im nachfolgenden Leben. Der Zustand im Totenreich ist nur ein Zwischenzustand (Bardo) und hier entscheidet es sich, in welche Inkarnation man im nächsten Leben betritt. Je nach Kenntnis über den Inhalt des Totenbuchs kann der Verstorbene eine günstigere Wiedergeburt erreichen.

In der Bardo-Phase erlebt das Bewusstsein verwirrende und teils schreckliche Visionen, die je nach dem jeweiligen Karma besser oder schlechter ausfallen können. Ein wichtiger Aspekt beim Übergang ist es, die lichtvolle Natur des eigenen Bewusstseins zu erkennen was fast zwangsläufig zu einer Befreiung aus den niedrigeren Inkarnationen führt.

Damit der Verstorbene gut auf den Zwischenzustand im Jenseits vor seiner nächsten Inkarnation vorbereitet ist, werden die Texte bereits am Sterbebett von Priestern vorgelesen. Auch vorher wird über das Tibetanische Totenbuch inhaltlich meditiert, um die Beschaffenheit des Geistes und der Natur des Bewusstseins besser zu verstehen.

Je besser der Verstorbene schon vor dem Tod den Inhalt des Totenbuchs verstanden hat, desto günstiger seine nächste Inkarnation im nächsten Leben. Auch hier finden Prüfungen nach dem Tod im Jenseits statt auf die man im Totenbuch bestmöglich vorbereitet wird.

Griechische Goldblättchen

Erwähnenswert sind auch noch die Griechischen Goldfolien (Orphicae Lamellea) mit Totenbuch-Texten. Sie wurden oft als Grabbeigabe mitgegeben. Sie enthalten Weisungen und Informationen über die Reise in der Unterwelt und wie man auf die richtige Weise mit den Wesen und Göttern dort umgeht. Aufgrund der kürzeren Texte werden diese Goldfolien auch häufig Totenpässe genannt. Wie beim Ägyptischen Totenbuch enthalten die Texte kurze Rituale und auch Passwörter, die ein leichteres Gelingen der kleinen Prüfungen ermöglichen sollen. Je besser die Informationen auf diesen Goldfolien sind, desto leichter wird das Leben im Jenseits für den Verstorbenen ausfallen.

Was wir daraus lernen können

Bei den Totenbüchern steht weniger das reine und ehrbare Verhalten zu Lebzeiten im Vordergrund sondern das Wissen über die Beschaffenheit des Totenreichs und auch des eigenen Bewusstseins. Der Verstorbene wandert durch verschieden Bereiche der Unterwelt und wird von den Göttern vor verschiedene Prüfungen gestellt. Ob man nach dem Tod in einen paradiesischen Bereich nahe bei den höchsten Göttern oder in eine höllengleiche Ebene gelangt hängt in erster Linie von dem Bestehen der Prüfungen, dem Aufsagen der richtigen Zaubersprüche, Gebete oder Passwörter zusammen.

Die Astralebene, wo unser Bewusstsein nach dem Verlassen des Körpers hingelangt, ist vermutlich wie eine komplexe virtuelle Realität aufgebaut, voller verschiedener Existenzformen. Das Erleben und Bestehen in dieser Welt beginnt erst nach dem Tod wo sich uns die komplexe Natur dieser Welt erst vollständig erschliesst. Obwohl sich diese Welt vermutlich sehr real anfühlen wird (wie ein intensiver Traum), hängt die Beschaffenheit in erster Linie von unserem eigenen Glaubenssätzen und Vorstellungen ab. Unsere eigene Bewertung spielt dabei ebenso eine wichtige Rolle. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass man mit der richtigen Vorbereitung die Bereiche, die uns unangenehm erscheinen, mit dem richtigen Vorsatz und Willensstärke auch wieder verlassen und in andere Bereiche wechseln kann – auch diese Erkenntnis kann durchaus zu einer der zahlreichen möglichen Prüfungen und Lernaufgaben im Jenseits gehören, die es dort zu meistern gilt.